Bulgarien will 2015 EU-Förderprogramme schnell starten
Mittelverluste aus Vorgängerprogramm sollen minimiert werden / Von Michael Marks
Sofia (gtai) – Die bulgarische Regierung verfolgt ehrgeizige Ziele mit Blick auf die neue EU-Fördermittelperiode. Über die Hälfte der Finanzierungen soll im Jahr 2015 unter Dach und Fach gebracht werden. Zwei Operationelle Programme (OP) sind von der EU-Kommission gebilligt worden, weitere werden im Frühjahr hinzukommen. Das sogenannte Indikative Arbeitsprogramm 2015 für das OP Verkehr erfasst Verfahren für vier Großvorhaben. Das OP Umwelt kämpft mit der fehlenden institutionellen Reform des Wassersektors.
Die bulgarische Regierung will rund 8,3 Mrd. Lewa (rund 4,2 Mrd. Euro; fester Wechselkurs der bulgarischen Nationalbank: 1 Euro = 1,9559 Lewa) Fördermittel im Jahr 2015 absichern. Das sind über die Hälfte der 14,5 Mrd. Lewa aus dem EU-Struktur- und Kohäsionsfonds für den Zeitraum bis 2020. Dabei handelt es sich um die Beträge, die die Ministerien den Begünstigten entsprechend den sogenannten Indikativen Arbeitsprogrammen für das Jahr 2015 zur Verfügung stellen wollen.
Zu den hochvolumigen Programmen der Förderperiode 2014 bis 2020 zählen das OP Verkehr und Verkehrsinfrastruktur (Wert der EU-Fördermittel: 1,6 Mrd. Euro/Gesamtförderung: 1,9 Mrd. Euro), das OP Umwelt (1,5 Mrd./1,8 Mrd. Euro), das OP Regionen im Wachstum (1,4 Mrd./1,6 Mrd. Euro) und das vorwiegend direkt an Unternehmen gerichtete OP Innovation und Wettbewerbsfähigkeit (1,2 Mrd./1,4 Mrd. Euro).
Das OP Entwicklung der Humanressourcen hat bereits Maßnahmen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit gestartet. Das OP wurde als erstes bulgarisches Programm Ende November 2014 von der EU-Kommission zur Durchführung des Europäischen Sozialfonds (ESF) angenommen. Das Programm enthält die Schwerpunkte und Zielsetzungen für Ausgaben von 1.092 Mio. Euro, davon 939 Mio. Euro aus dem EU-Haushalt, die „zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts in Bulgarien beitragen sollen“.
Projekte zur Beschäftigungsförderung
Laut EU-Kommission sollen etwa 550 Mio. Euro auf Projekte entfallen, die auf eine höhere Beschäftigung abzielen. Weitere 286 Mio. Euro sind für Maßnahmen der sozialen Inklusion vorgesehen. Das Programm soll die Qualifikation von etwa 100.000 Menschen verbessern, 28.000 Arbeitsuchenden einen Arbeitsplatz verschaffen und weiteren 17.000 jungen Menschen mit Beschäftigungs- und Bildungsmaßnahmen helfen. Weiteren 160.000 Personen werden Chancen des lebenslangen Lernens eröffnet. Erste Projektaufrufe sollen bereits im Frühjahr 2015 erfolgen.
Mit dem Projekt der 12.000 „persönlichen Assistenten“ – das sind Personen, die sich um behinderte, kranke und pflegebedürftige Menschen kümmern – für 45 Mio. Lewa startet das OP zunächst mit Mitteln aus dem Staatshaushalt. Bis April 2015 soll es durch die Agentur für Sozialunterstützung genehmigt werden. Weitere zur Realisierung anstehende Maßnahmen betreffen die Beschäftigung junger Menschen (141 Mio. Lewa) und Langzeitarbeitsloser (28 Mio. Lewa). Im April sollen Projekte für Arbeitslose über 29 Jahre (37 Mio. Lewa) hinzukommen. Die Gelder betreffen die Ausbildung und die Zurverfügungstellung von Zeitarbeit für einen Zeitraum von einem Jahr.
Ausbau der Eisenbahn- und Straßeninfrastruktur
Zum Jahresende 2014 wurde das OP Verkehr und Verkehrsinfrastruktur als zweites bulgarisches Programm von der EU-Kommission angenommen. Dabei stammen 1,6 Mrd. Euro aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung und dem Kohäsionsfonds, weitere 0,3 Mrd. Euro aus nationalen Mitteln. Laut EU-Kommission sollen die Projekte zur Entwicklung eines integrierten und nachhaltigen Verkehrssystems beitragen.
Das OP zielt auf die Entwicklung des transeuropäischen Eisenbahnnetzes, ferner auf den Bereich Straße sowie auf die Verbesserung der Sicherheit und Nachhaltigkeit des Verkehrs. So sind 190 km neuer und modernisierter Eisenbahnstrecken sowie der Bau von 62 km Autobahn geplant. Ausgebaut und modernisiert werden sollen große Teile der Bahnstrecken Sofia – Septemvri und Plovdiv – Burgas.
Der Großteil der Investitionen in den Straßenbau betrifft die Vollendung der Struma-Autobahn, die eine wesentliche Verbindung zwischen Sofia und Thessaloniki als Teil des paneuropäischen Korridors von Deutschland nach Griechenland bildet. Ausbau und Modernisierung bedeutender Bahnhöfe sollen einen effizienten intermodalen Verkehr erleichtern. Die Erweiterung der Metro in Sofia wird direkte Verbindungen zum internationalen Flughafen und zum Hauptbahnhof herstellen.
Das kürzlich bekannt gewordene sogenannte Indikative Arbeitsprogramm 2015 für das OP Verkehr setzt erste konkrete Verfahrensabläufe für vier Großvorhaben. Das Projekt Gleiserneuerung der Strecke Plovdiv – Burgas (Phase 2) fällt in die Kompetenz der Nationalen Gesellschaft für Schieneninfrastruktur. Der Gesamtwert der Finanzierung wird auf knapp 502 Mio. Lewa beziffert. Der Anteil der EU-Finanzierung liegt bei maximal 90%. Das Projekt soll bis zum 30.9.15 eingereicht sein.
Für das Los 3 der Struma-Autobahn (Blagoevgrad – Sandanski) ist die Nationale Gesellschaft für Strategische Infrastrukturprojekte der begünstigte Träger bei Höchstförderung von 100% und einer Gesamtfinanzierung von knapp 1.467 Mio. Lewa. Für das Teilstück der Hemus-Autobahn Jablanitza bis zur Kreuzung mit der E85 Russe – Veliko Tarnovo ist der gleiche Träger bei ebenfalls 100% begünstigt. Der Finanzierungswert wird mit 870 Mio. Lewa angegeben. Begünstigter für den Ausbau der Sofioter U-Bahn ist Metropolitan Sofia. Die EU-Finanzierung liegt bei höchstens 90%, die Finanzierung bei insgesamt nahe 848 Mio. Lewa. Für die drei genannten Projekte gilt als Endtermin der Einreichung der Projektvorschläge der 31.3.15.
Europäische Investitionsbank stellt Mittel zur Verfügung
Der nationale Beitrag zu den EU-Programmen liegt typischerweise in einer Größenordnung von 15%. Die Europäische Investitionsbank (EIB) stellt Bulgarien 500 Mio. Euro für vorrangige Projekte zur Verfügung, die im Programmplanungszeitraum 2014 bis 2020 EU-Fördermittel erhalten. Hierbei handelt es sich um Vorhaben mit Investitionskosten von insgesamt 4,3 Mrd. Euro. Aus dem EIB-Darlehen wird laut Ankündigung der Bank der nationale Beitrag des Landes zu den OP Verkehr und Umwelt finanziert.
Außer den bereits genehmigten OP für Humanressourcen und Verkehr wird bis Ende März 2015 erwartet, dass die Europäische Kommission auch die Zustimmung für die drei OP Wettbewerbsfähigkeit, Bildung und Wissenschaft sowie Gute Verwaltung erteilt. Aufgrund strittiger Fragen wird mit einer Verzögerung bei den OP Regionen im Wachstum und Umwelt gerechnet.
Das an die Unternehmen gerichtete OP Innovation und Wettbewerbsfähigkeit wird laut implementierender Behörde voraussichtlich im März 2015 mit der seit langem erwarteten Maßnahme zur Verbesserung der Produktionskapazität für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) starten. Es steht in der Nachfolge der Maßnahme zur technologischen Modernisierung der Vorgängerperiode. Das geplante Budget liegt bei 293 Mio. Lewa. Drei Bewerbungsfristen soll es im laufenden Jahr geben. Der Mindestzuschuss für ein Unternehmen liegt bei 50.000 Lewa, die maximale Finanzhilfe bei 1,5 Mio. Lewa. Die Kofinanzierung bewegt sich zwischen 35% und 70%.
Im September 2015 soll das Verfahren für den Teil „Innovation in Unternehmen“ (78,2 Mio. Lewa) eröffnet werden. Im Dezember steht laut indikativem Arbeitsprogramm für das OP 2015 das Verfahren für die Energieeffizienz in KMU (97,7 Mio. Lewa) an. Für das OP Wissenschaft und Ausbildung sollen fast 580 Mio. Leva in 2015 verhandelt werden. Die ersten Projekte werden zur Jahresmitte starten. Das größte davon hat ein Volumen von 275 Mio. Lewa. Es ist für die Entwicklung der Kreativität von Kindern und Schülern in Wissenschaft, Kunst und Sport vorgesehen. Weitere Mittel fließen in Stipendien für Studierende, Doktoranden und junge Wissenschaftler (109 Mio. Lewa) sowie zur Verbesserung der Qualifikation von Lehrern und Gewinnung junger Lehrer (35 Mio. Lewa). Gelder entfallen auch auf die Entwicklung eines Hochschulratingsystems (2 Mio. Lewa) und ein System zur Berufsberatung in den Schulen (10 Mio. Lewa).
Das OP Regionen im Wachstum zielt darauf ab, den Kommunen bei der Erfüllung der vorbereiteten Projekte gemäß den integrierten Plänen für Stadterneuerung und -entwicklung unter die Arme greifen. Das Verfahren sollte noch Ende 2014 angeschoben werden. Angesichts von Kontroversen mit der EU-Kommission hinsichtlich der Zahl der finanzierbaren Städte sind die Maßnahmen auf Mai 2015 verschoben worden. Es hat ein Budget von nahe 1 Mrd. Lewa für 39 Städte der ersten drei Gruppen. Bulgariens Entwurf enthielt 67 Städte in vier Gruppen. Für März 2015 sind Verhandlungen mit der Agentur für Straßeninfrastruktur über die Renovierung und Instandhaltung von Straßen (380 Mio. Lewa) geplant. Dann soll auch das Verfahren für Bau und Reparatur von Schulen mit nationaler und regionaler Bedeutung (181 Mio. Lewa) eröffnet werden.
Reformen im Wassersektor notwendig
Das OP Umwelt leidet unter der Nichterfüllung versprochener institutioneller Reformen im Wassersektor, die den Abruf von EU-Fördermitteln zeitlich verzögern, wenn nicht gar gefährden. Gelder für den Bau von Kanalisationsnetzen und Kläranlagen werden erst dann freigegeben, wenn die Reformen vollzogen sind. Bulgarien beabsichtigt deshalb, mit erhoffter Erlaubnis aus Brüssel Großprojekte im Wassersektor zu starten, die in der vorherigen Förderperiode aufgrund fehlender Mittel nicht begonnen werden konnten. Die Reform ist seit 2007 versprochen, aus politischen Gründen aber nicht realisiert worden.
Im Bereich Wasser sollen „frische“ 28 Mio. Lewa für 13 regionale Machbarkeitsstudien für die separaten Gebiete Vidin, Pleven, Russe, Silistra, Dobrich, Shumen, Varna, Burgas, Yambol, Sliwen, Stara Zagora, Kardzhali und Plovdiv ausgegeben werden. Das Verfahren sollte im ersten Jahresdrittel 2015 beginnen, wird aber voraussichtlich verschoben. Bereits 25 Mio. Lewa wurden für die Erarbeitung von 51 regionalen Wasserplänen ausgegeben, die den Investitionsbedarf definieren sollten. Für die Implementierung der Wasserreformen und Etablierung von Wassergesellschaften standen 20 Mio. Lewa zur Verfügung. Etwa zur Jahresmitte soll das Prozedere für den Abfallsektor (231 Mio. Lewa) eröffnet werden. Der Großteil der Mittel soll in Stadtwärme fließen. Hierzu sollen Anlagen errichtet werden zur Nutzung heizwertreicher Abfallfraktionen (RDF – refuse-derived fuel) vor allem aus Gewerbemüll.
Damit keine Gelder aus dem Vorgängerprogramm der EU-Förderperiode verloren gehen, müssten im laufenden Jahr 2015 noch 1,4 Mrd. Lewa investiert werden. Dies hat der Minister für Verkehr, Ivaylo Moskovski, Ende 2014 erklärt. Dies würde die Rehabilitierung von 260 km Bahnstrecke, die Reparatur der Bahnhöfe in Sofia und Burgas, der Abschluss des intermodalen Terminals in Plovdiv, die Inbetriebnahme von 125 km Autobahn („Struma“ und „Maritza“) und Bau weiterer 28 km sowie von 7,6 km U-Bahn mit sieben neuen Haltestellen bedeuten.
Der Weiterbau der Sofioter U-Bahn habe das Land 2014 vor Verlusten aus dem OP Verkehr bewahrt, wie der Minister anmerkte. Bulgarien wolle sich anstrengen, die Verluste nicht zu hoch werden zu lassen, habe aber keine Chance, die gerade zu zwei Drittel absorbierten EU-Gelder voll auszuschöpfen. Erhebliche Verzögerungen bei Landerwerb und Enteignungen sowie bei den
Baugenehmigungen gelten als mitverantwortlich für die aufgelaufenen Probleme.
Internetadressen:
Indikatives Programm für OP Transport: Direktion „Koordinierung von Programmen und Projekten“ im Ministerium für Transport: Direktorin: Galina Vassileva